Berichte Betroffener

Franz (15 Jahre) 

Mein Name ist Franz, ich bin 15 Jahre alt und habe das Tourette Syndrom. Ich besuche die 10. Klasse an einem Gymnasium in Dresden. In meiner Freizeit spiele ich gerne Handball und treffe mich mit Freunden. In der 1.Klasse, als ich ca. 6 Jahre alt war, habe ich angefangen meine Tics wahrzunehmen. Sie äußerten sich in Form eines Kopfnickens. Da die Tics noch nicht so sehr stark waren, sind wir damals noch nicht zum Arzt gegangen und wussten nicht, was ich genau hatte. Nach verschiedenen Maßnahmen, die alle mehr oder weniger Erfolg hatten, wurden wir zur KJP-Dresden überwiesen, bei der ich seit der 5. Klasse in Betreuung bin. In dieser Einrichtung wurde mein Tourette-Syndrom analysiert. In dieser Zeit habe ich schon mehrere Tests zur Intelligenz und Konzentration durchgeführt. In der 7. Klasse hab ich angefangen, Medikamente gegen mein Tourette zu nehmen. Am Anfang spürte ich die Nebenwirkungen in Form von starker Müdigkeit und Gewichtszunahme. Diese legten sich aber schnell und mittlerweile spüre ich keine Nebenwirkungen mehr. Trotz dieser Krankheit habe ich keinerlei Probleme in der Schule oder mit Freunden. Insgesamt beeinflusst mich das Tourette-Syndrom nur sehr gering und spielt in meinem Alltag außer durch die regelmäßigen Arztbesuche keine Rolle. Im Laufe der Zeit hat sich mein Umgang mit dieser Krankheit geändert. Am Anfang war ich noch etwas unsicher wie ich anderen Leuten davon erzählen sollte, weil ich nicht wusste, wie sie es aufnehmen würden. Doch mit der Zeit konnte ich immer offener mit der Krankheit umgehen und sie akzeptieren. Ich denke durch diese Handhabung bereitet mir diese Krankheit auch keine Probleme und es fällt mir nicht schwer in meinem sozialen Umfeld davon zu berichten. 

Rico und Lukas (beide 14 Jahre) 

Rico ist 14 Jahre alt und besucht die 8. Klasse eines Gymnasiums in Brandenburg. Lukas ist ebenfalls 14 und besucht die 8. Klasse eines Gymnasiums in Dresden. Die Noten der beiden Jugendlichen sind gut und sehr gut. Beide sind gut integriert, haben viele Hobbys. Und sie haben noch eine weitere Gemeinsamkeit: Sie sind betroffen vom Tourette-Syndrom. Nein, sie rufen keine obszönen Worte, das tun die wenigsten mit dieser Krankheit, auch wenn das viele glauben. 

Rico hat unter anderem eine Art lauten Schluckauf, zwinkert mit den Augen und tippt oft mit dem Fuß auf dem Boden auf. Lukas ist im Moment fast frei von Tics außer ein paar gelegentlich auftretenden leichten Zuckungen im Gesichtsbereich. 

Besonders intensiv sind Ricos Tics, wenn er angespannt oder aufgeregt, bzw. sich beobachtet fühlt. Manchmal fällt es Anderen durch die andauernden Geräusche und im extremsten Fall Schreie aus voller Kehle bis zur Heiserkeit, zum Beispiel beim Orchesterspiel oder im Urlaub in einer Ferienwohnung schwer, zu verstehen, dass Rico nicht absichtlich stört oder andere nerven möchte. Er kann jedoch einfach nicht anders, kann seine Tics meist nicht steuern. 

Begonnen haben die Zuckungen bei Rico als er ca. 7 Jahre alt war. Bei Lukas begann es auch so etwa in der ersten Klasse. Erste Symptome treten wirklich bei den meisten Kindern erstmalig mit dem siebten oder achten Lebensjahr auf. 

Nach Besuchen bei einigen Spezialisten stand schließlich bei beiden die Diagnose fest: das Tourette-Syndrom. Das heißt, dass in einer Art Steuerzentrale für Bewegung im Gehirn bestimmte Abläufe anders funktionieren als bei Menschen, die das Tourette-Syndrom nicht haben. Dies führt zu unkontrollierten Lauten oder Bewegungen, ist oft mit weiteren Krankheiten wie ADHS und /oder Zwängen verbunden, führt häufig zur Ausgrenzung von Betroffenen. 

Rico und Lukas bekommen beide Medikamente, die helfen, die Tics zu mindern. Zusätzlich lernen sie, besser mit ihnen umzugehen. 

Mit der Intelligenz der Kinder und Jugendlichen hat das alles jedoch nichts zu tun, im Gegenteil. Viele Kinder mit Tourette-Syndrom sind sogar überaus schlau, zum Teil sogar überdurchschnittlich intelligent und/oder haben besonders künstlerische Talente. Unsere beiden Jungen besuchen beide ein Gymnasium, an dem viele ihrer Lehrer und Mitschüler mittlerweile das Tourette-Syndrom kennen. Sie respektieren und unterstützen die beiden, wie sie sind, auch wenn das für alle oft nicht ganz einfach ist. Leider gehören sie damit noch zu den Ausnahmen. Deshalb hoffen wir, Euch mit dieser kleinen Geschichte auf die Schwierigkeiten vieler anderer, vom Tourette- Syndrom betroffener Kinder, Jugendlicher, und junger Erwachsene aufmerksam machen zu können, die durch Eure Offenheit ein ganzes Stück kleiner werden können.

Mutter von Robert (9 Jahre)

Im September 2021 hatten wir mit unserem 9jährigen Sohn einen Termin im Universitätsklinikum Carl Gustav Carus auf der KJP S4 - Spezialstation bei Herrn Prof. Dr. med. Veit Rößner.

Vorgeschichte:
Unser Sohn hat seit etwa 2 Jahren Tic-Störungen, die zunächst nicht sehr auffällig waren. Irgendwann ging es dann los mit einem Pfeifton, worauf wir bei unserer Kinderärztin waren. Diese war ganz entspannt und meinte, das ginge wieder weg.
Auch wir waren entspannt und haben das Pfeifen nicht weiter beachtet. Tatsächlich war es irgendwann auch wieder verschwunden. Es folgten eher unauffällige Tics wie "Räuspern", Nase hochziehen, Atemgeräusche", die aber nicht weiter störend waren.

Einige Monate nach seinem 9. Geburtstag hat es uns über Nacht dann aber "kalt erwischt". Aus dem Nichts heraus fing unser Sohn an, einen unglaublich lauten, hohen Ton herauszupressen. Ein Geräusch wie bei quietschenden Turnschuhen in der Sporthalle. Es taten einem wirklich die Ohren weh, wenn man dabei neben ihm stand. Das hat uns unglaublich geschockt und wir waren sehr besorgt.

Wir sind natürlich sofort bei unserer Kinderärztin vorstellig geworden und diese hat uns daraufhin umgehend einen Notfalltermin bei einer Kinderpsychiaterin verschafft. Nach einem langen Gespräch hat Sie unserem Sohn dann Tiaprid verschrieben. 3 Mal täglich 50 mg. Wir haben es über mehrere Tage langsam eingeschlichen und tatsächlich nahmen der Schreitic und auch die Schimpfwörter stetig ab. Ob das jetzt dem Medikament oder dem normalen Tic-Verlauf geschuldet ist, lässt sich allerdings nicht sagen.

Wenige Wochen später begann unser Sohn permanent mit dem Kopf zu rucken. Das war zeitweise so stark, dass er nicht mehr Fahrradfahren oder Tischtennis spielen konnte und er davon sogar Kopfschmerzen bekam. Für uns als Eltern war das herzzerreißend. Die Dosis wurde dann auch 200 mg Tiaprid erhöht und kurze Zeit später wurde auch dieser Tic wieder schwächer. Gott sei Dank hatten wir schon früh einen Termin in Dresden ausgemacht. Dieser wurde dann sogar vorverlegt von Dezember auf September. Wir haben fast schon darauf hin gefiebert, denn es gibt nicht viele spezialisierte Ambulanzen, die sich mit dieser Thematik bei Kindern und Jugendlichen befassen.

Wir und die Klassenlehrerin mussten zunächst diverse sehr detaillierte Fragebögen ausfüllen und diese an das Universitätsklinikum senden.

Termin in Dresden:
Als wir unseren Termin hatten wurden wir bereits an der Eingangstüre der Station sehr nett begrüßt. Nach einer kurzen Wartezeit wurden wir dann von der Oberärztin, einer Psychologin und einer weiteren Fachkraft empfangen. Der Austausch mit versierten Fachkräften gerade aus diesem Bereich tat uns unglaublich gut.Unser Sohn musste zunächst den Raum verlassen und durfte sich mit den Meerschweinchen im Aufenthaltsraum vergnügen.

Wir Eltern hatten ein sehr ausführliches, langes Gespräch mit der Oberärztin und der Psychologin und wir fühlten uns sehr gut aufgehoben. Die Atmosphäre war gelöst und entspannt. Alle unsere Ängste und Sorgen wurden ernst genommen und unsere Fragen umfassend beantwortet. Insgesamt waren wir etwa 2,5 Stunden im Gespräch. Einen Teil davon gemeinsam mit unserem Sohn, der ebenfalls sehr einfühlsam und empathisch befragt wurde.

Besonders beeindruckt hat uns, dass sich auch der Klinikdirektor Prof. Dr. Veit Rößner Zeit für unser Anliegen genommen hat und seine Erfahrungen mit uns teilte. Seine Einschätzung ist für uns ein Anker, an den wir uns halten, wenn es vielleicht einmal weniger gut als momentan laufen sollte. Auch wenn Tic-Störungen / Tourette immer als Einzelfall betrachtet werden müssen, war es eine große Hilfe, Rat und Hilfestellung von dieser Stelle zu bekommen.

Fazit:
Wir sind sehr glücklich, dass wir einen Termin so kurzfristig bekommen haben und dass wir uns trotz aller Unsicherheit, wie die Tic-Störung verläuft, jederzeit wieder an die Uniklinik wenden können. Dieses Wissen hilft uns schon sehr und stärkt uns den Rücken.

Wir möchten uns an dieser Stelle ganz herzlich für die tolle Unterstützung des
gesamten Teams bedanken und können das Zentrum für Tic- und Zwangsstörungen
nur weiterempfehlen. DANKE!